19.12.2013
O du fröhliche Weihnachtszeit! Schon wieder ein Jahr vorbei! Das merkt man am Gymnasium Himmelsthür allerspätestens dann, wenn große Schüler- und Lehrerscharen in der Pauluskirche diesen Satz vom Bläserkreis unter Leitung von Herrn Winter begleitet schallend zum Ende jeder ökumenischen Weihnachtsandacht singen. Intensive adventliche Musik-, Theater- und Sprechproben gingen voraus, Schüler der evangelischen und katholischen Religionslehre überlegten eifrig, was sie denn zu sagen haben zum Sinn und der Bedeutung von Weihnachten. Es ist ja nicht leicht den eigentlichen Sinn der Advents- und der Weihnachtszeit in all dem Trubel noch zu finden. Der ein oder andere opferte seine Freizeit, um das ein oder andere für diese Andachten noch besser zu machen, Lehrer durften auf Schüler oder kostbare Unterrichtszeit verzichten. Und das alles in den sowieso schon stressigen Tagen vorm großen Fest. Da fühlt man sich doch manchmal wie vom Teufel getrieben - und kommt doch letzten Endes bei der Krippe (und den verdienten Weihnachtsferien) an!?
Der Bläserkreis spielte „Stern über Bethlehem". Diesem Stern folgten die verkleideten Hirten von Schülern der Klasse 5c zusammen mit Frau Güttler. Ein kleiner Teufel trug eine schauerliche Maske und versuchte mehrfach die Hirten von ihrem Weg abzubringen – so dass dieser letztlich selbst an der Krippe ankam und das Jesuskind sehen konnte. Schüler der Klasse 6c mit Frau Hüsemann zeigten ein kleines Theaterstück von Leo Tolstoi über den Schuster Martin: Sein Lieblingsbuch war die Bibel und als er eines Abends darin las, hörte er die Stimme Gottes: „Martin, ich werde zu Dir kommen!" Martin sah aus seinem Fenster am nächsten Tag jedoch nur den erschöpften Straßenkehrer Stefan, dem er Wärme und einen Tee anbot; er sah eine frierende Mutter mit einem dünnen Kleid und ihrem Baby und schenkte ihr Suppe und einen warmen Schal; er sah wie ein Dieb einer alten Marktfrau Äpfel klaute und sorgte dafür, dass der Dieb sich entschuldigte. Gott war gar nicht gekommen? – Doch: Martin erkannte erst später: Wo Liebe und Frieden sind, da ist Gott! Musikalisch blieb es international und anspruchsvoll: Mit „Shalom Chaverim", einem alten israelischen Volkslied und dem berühmten Prélude zum Te Deum von Marc-Antoine Charpentier, das heute als Fanfare bei Fernseh-Übertragungen im Rahmen der Eurovision verwendet wird, verbreitete das Instrumentalensemble von Frau Schinzel sehr festliche Stimmung. Die Band „Time Rockers" spielt erst seit einem Jahr zusammen, überzeugte aber mit engagierten und fröhlichen Gesichtern und fetziger Bandmusik mit dem spanischen Weihnachtslied „Feliz Navidad" im Latin-Rhythmus und „Save and Sound" von Capital Cities, einem US-amerikanischen Indie-Pop-Duo aus Los Angeles.
Die Klasse 8b mit Frau Hüsemann hat dem anspruchsvollen Vergleich der beiden biblischen Weihnachtsgeschichten im Matthäus- und Lukasevangelium in einem szenischen Sprechstück die Stirn geboten: Matthäus erzählt von König Herodes, dessen weltliche Macht in Frage gestellt wurde durch die Verheißung von Weisen über ein neues Königskind. Doch Gott ist stärker als weltliche Mächte: Die Weisen geben Herodes keine weiteren Informationen preis. Der Evangelist Lukas schildert die Geburt des Gottessohnes als etwas zutiefst Menschliches: Für Jesus war kein Platz, er wird bei Tieren geboren und zuerst von Außenseitern der Gesellschaft wahrgenommen: den Hirten. Die Schlussfrage richtete sich an die Schülerschaft selbst und regte zum Nachdenken an: Gott ist stärker als weltliche Mächte und hat seinen Sohn in die Dunkelheiten der Welt geschickt – wie kapiert ihr das?
Dem modernen Krippenspiel des katholischen Relikurses der Klasse 10 von Frau Walter folgten die Schüler interessiert. Wie wäre es, wenn sich die 2000 Jahre alte biblische Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium in unserer Zeit erneut ereignen würde? Der schwangeren Maria und Joseph geht auf einer Autofahrt das Benzin aus, niemand vermag den Hilfesuchenden zu helfen. Letztlich nimmt sie ein Viehtransporter mit zu einer Tankstelle und Jesus wird geboren. Geschilderte Dunkelheiten gibt es auch heute noch, mit dem kleinen Jesuskind begann aber eine Geschichte, die Licht ins Dunkel gebracht hat.
Die Band „Hausalarm" trat mit Weihnachtsmützen und rockigen Tönen auf. Mit „Holiday" von Green Day mit besonderen Soloeinlagen einzelner Bandmitglieder wurde energisch dazu aufgerufen, dass wir nicht dem Gesetz gehören, sondern noch träumen können und uns von wertlosen Lügen verabschieden sollten. „Rockin around the Christmas tree" a la Miley Cyrus imponierte temporeich.
Musikalische Höhepunkte waren die Auftritte des Oberstufenchores mit Frau Knauer am Klavier. Konzentriert, achtsam und erfrischend präsentierten sie die Gospels „Virgin Mary had a baby boy" und „Good news", den populären Klassiker „Last Christmas" der Gruppe Wham! und „Angels" von Robbie Williams.
Die ökumenische Weihnachtsandacht der Oberstufe hat der katholische Religionskurs von Herrn Schonebeck geplant und ausgeführt. Eindrucksvoll konnte man zunächst „Engel" hören: harte Klänge, nachempfunden der Neue-Deutsche-Härte-Band Rammstein, plötzlich unterbrochen von in die Kirche einziehenden harmonischen Blockflötenspielern und einem von der Empore singendem „Rauschgoldengel". Was macht einen guten Engel aus? Wie könnte er ein Vorstellungsgespräch bei Gott bestehen? Sind Engel denn Boten Gottes und mehr als nur Projektionen in den Köpfen der Menschen? Ein schöner Moment war das stille Fürbittengebet, in dem jeder der Menschen gedenken konnte, die ihm am Herzen liegen.
Die abwechslungsreichen Mischungen aus Musik, Gesang, Theater, anspruchsvollen Themen und Gebet machten die ökumenischen Adventsandachten für Schüler und Lehrer in diesem Jahr ansprechend und waren eine Einstimmung auf die folgenden Tage. Eine Kollekte wurde gesammelt für die Flüchtlingshilfe Syrien.
Herzlich zu danken ist der Evangelischen Paulusgemeinde für Räumlichkeiten bei tagelangen Proben und dem Andachtsvormittag an sich. Bei herzlichen Begrüßungen, Kurzimpulsen, Vater unser und Segen haben von katholischer Seite mitgewirkt Pfarrer Schäfers und Gemeindereferent Schwab, von evangelischer Seite Pastorin Blanke und Vikarin Jäger: Allen ist die offene und lebendige Form der ökumenischen Weihnachtsandachten vom Gymnasium Himmelsthür ein echtes Herzensanliegen. Kirche will offen sein, für alle: egal welcher Herkunft und religiösen Ansicht. Ziel ist weder eine religiöse Indoktrination noch dogmatische Festlegung, sondern für Schüler die Ermöglichung von einem besonderen Gemeinschafts- und Erfahrungsaspekt des Weihnachtsfestes.
Herzlich zu danken ist all den Lehrerinnen und Lehrern, die ihre Kurse und Musiker vorbereitet haben – oft ein Engagement, das über die übliche Stundenzahl und kurz vor Weihnachten auch über die Kräfte hinausgeht – aber auch denen, die das Ganze von „Ferne" oder als Beteiligte beim Beaufsichtigen ihrer Schüler mitgetragen haben. In diesem Jahr haben Herr Schonebeck und Frau Hüsemann viele Momente engagierter Planung und Koordination übernommen. Herzlich zu danken ist dann aber vor allem der Schülerschaft selbst, denen diese Andachten im Laufe der Jahre zu einem festen Bestandteil des Schullebens geworden sind. Sie kommen, um ihre Mitschüler in Aktion zu sehen und diese Aktionen wert zu schätzen, um ein wenig Ruhe zu finden vorm Weihnachtstrubel, um sich nicht mit einfachen Antworten bezüglich des Sinns von Weihnachten zufrieden zu geben. Es sind richtig tolle Schüler, die sich auf ihre Weihnachtsferien freuen, die gern mal schallend singen: Oh du fröhliche Weihnachtszeit!
Vikarin Larissa Anne Jäger